Forschung im OP
So viel Aufmerksamkeit hat eine ganz normale Gallenblasenoperation im Radevormwalder Krankenhaus schon lange nicht mehr erregt.
Sieben Wissenschaftler des international renommierten Zentrums für interdisziplinäre Forschung (ZiF) begleiteten heute auf Einladung der Rader Klinik den operativen Eingriff. Das Projektteam um die Wuppertaler Linguistin Prof. Susanne Uhmann erforscht zurzeit im Johanniter-Krankenhaus Radevormwald die Kommunikations- und Handlungsstrukturen während chirurgischer Operationen. Monotones Piepen, leises Summen der Anästhesiegeräte und eine hochkonzentrierte Atmosphäre:
Im Operationssaal Nr. 1 des Radevormwalder Johanniter-Krankenhaus wurde heute Morgen eine Gallenblase entfernt. Das ist für die Chirurgen nichts Außergewöhnliches – ein solcher Eingriff ist für sie Routine. Trotzdem schaute ein Projektteam des Zentrums für interdisziplinäre Forschung den Rader Operateuren aufmerksam über die Schultern. Dabei standen der Ablauf des chirurgischen Eingriffs, die sprachliche und nicht-sprachliche Kommunikation der Ärzte und Pflegekräfte sowie die Rahmenbedingungen der Operation im Fokus des wissenschaftlichen Interesses.
Das ZiF-Projektteam untersucht noch bis Ende März den Prozess chirurgischer Fälle – von der Patientenaufnahme bis zur -entlassung. „Es ist ganz wichtig, dass bei aller Routine zugleich jeder einzelne Patient individuell behandelt wird“, sagt Linguistik-Professorin Dr. Susanne Uhmann von der Bergischen Universität Wuppertal. Und dass alle dafür erforderlichen Informationen schnell und zuverlässig bereitstehen. „Wir interessieren uns zum Beispiel dafür, welche Patientendaten dem Operationsteam über welche Informationskanäle zur Verfügung stehen“, erläutert Prof. Uhmann.
Das können klassische Patientenakten sein, aber auch computerbasierte Informationen. Mittelfristig zielt das Forschungsprojekt „Der Fall als Fokus professionellen Handelns“ darauf ab, medizinische und juristische Arbeitsprozesse besser zu verstehen und zu optimieren. „Die Studie soll z.B. überprüfen, ob und wie die komplexen Dokumentationspflichten dieser Berufszweige vereinfacht werden können“, erklärt Prof. Uhmann. Auch wenn bei den medizinischen Prozessen am Rader Klinikum bislang nicht allzu viel Handlungsbedarf deutlich wird, kann der Nutzen trotzdem enorm sein. „Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die dazu führen können, die Mitarbeiter zu entlasten oder den Prozess noch reibungsfreier zu gestalten“, erklärt der Ärztliche Dirktor Dr. Reinhold Hikl.
Oberstes Ziel des Forschungsprojektes ist, den Behandlungsverlauf für die Patienten so angenehm wie möglich und maximal sicher zu gestalten. Wie die theoretischen Erkenntnisse der Forscher Medizinern in der Praxis konkret helfen können, diskutierten die ZiF-Wissenschaftler und Radevormwalder Chirurgen im Anschluss an die Operation. Die offiziellen Ergebnisse des sechsmonatigen Forschungsprojekts will das Zentrum für interdisziplinäre Forschung im Herbst veröffentlichen.
Hintergrund Der genaue Titel des Forschungsprojektes lautet "Der Fall als Fokus professionellen Handelns. Interaktive, sprachliche und mediale Verfahren der Formierung von Fällen in medizinischen und juristischen Kontexten". Es findet vom 01. Oktober 2008 bis 31. März 2009 im Rahmen einer vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung finanzierten Kooperationsgruppe statt. Das ZiF ist eine international sehr renommierte Einrichtung der Universität Bielefeld.
Als "Institute for Advanced Studies" fördert es schwerpunktmäßig internationale und interdisziplinäre Forschungsprojekte aller Disziplinen. Für dieses Forschungsprojekt wird es drei Arbeitsschwerpunkte geben: Juristische, psychiatrische und chirurgische "Fälle", an denen eine Gruppe von Juristen, Medizinern, Soziologen und Linguisten arbeiten wird.
Folgende Projektteilnehmer besuchten am 10. Februar das Johanniter-Krankenhaus Radevormwald:
- Prof. Dr. Ulrich Dausendschön-Gay (Universität Bielefeld)
- Prof. Dr. Elisabeth Gülich (Universität Bielefeld)
- Dr. Kent Lerch (MPI Frankfurt/ZiF-Bielefeld)
- Frank Oberzaucher, Mag. (Universität Bielefeld)
- Ulrike E. Schröder, Dipl. Soz. (Universität Bielefeld)
- Dr. Thomas Scheffer (FU Berlin)
- Prof. Dr. Susanne Uhmann (Bergische Universität Wuppertal)
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