Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde zwischen Nowy Targ (Polen) und Radevormwald (Deutschland) am 20. September 2005
Ansprache von Bürgermeister Dr. Josef Korsten

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
als „Botschafter ehrenhalber“ hat der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher einmal die Bürgerinnen und Bürger bezeichnet, die sich in Städtepartnerschaften engagieren. Ich heiße Sie, liebe Botschafterinnen und Botschafter ehrenhalber, zu unserer heutigen feierlichen Ratssitzung herzlich willkommen. Wir wollen heute durch Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde den offiziellen Akt zur Herstellung einer Städtepartnerschaft zwischen Nowy Targ in Polen und unserer Stadt Radevormwald begehen.
Viele der hier Anwesenden hätten es verdient, von mir namentlich begrüßt zu werden. Um meine Redezeit nicht zu überschreiten, beschränke ich mich auf einige wenige und bitte alle anderen, sich in diese herzliche Begrüßung eingeschlossen zu fühlen. Mein besonderer Gruß geht an unsere Gäste aus Nowy Targ, an ihrer Spitze mein Kollege Herr Bürgermeister Marek Fryzlewicz. Er wird begleitet von Mitgliedern des Stadtrates von Nowy Targ. Ich freue mich, Sie hier als offizielle Vertreter Ihrer Stadt und Ihrer Bürgerschaft begrüßen zu dürfen.
Herr Bürgermeister Fryzlewicz und seine Delegation sind aber nicht alleine angereist. Sie haben sich Verstärkung in Form des Chores „Echo Gorczanskie“ mitgebracht. Ich begrüße alle Sängerinnen und Sänger aus unserer zukünftigen Partnerstadt. Ich danke dem Radevormwalder Männerchor, dass er den Besuch seiner polnischen Freunde mit den Aktivitäten zur Begründung unserer Städtepartnerschaft zusammengelegt hat. Wir werden heute Abend mit musikalischen Beiträgen beider Chöre durch diese Veranstaltung begleitet. Außerdem freuen wir uns darauf, morgen Abend ein Gemeinschaftskonzert beider Chöre hören zu dürfen.
Herzlich begrüße ich auch den Landrat unseres Oberbergischen Kreises Hagen Jobi in unseren Reihen. Schön dass Sie uns heute Abend die Ehre erweisen.
Aus unserer französischen Partnerstadt Chateaubriant heiße ich als Vertreter des Bürgermeisters Herrn Deniaud mit seiner Gattin herzlich willkommen.
Natürlich begrüße ich auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, zu unserer heutigen Sondersitzung ganz besonders. Sie haben durch Ihr einstimmiges Votum für eine Städtepartnerschaft mit Nowy Targ die formalen Voraussetzungen geschaffen, damit wir diesen heutigen schönen Abend erleben dürfen.
Zum Gelingen dieses Abends haben viele Personen ihren Beitrag geleistet. Ich möchte auf diesem Wege allen danken, die diese feierliche Ratssitzung mit vorbereitet haben oder an ihrer Durchführung mitwirken. Sie im einzelnen zu benennen, würde den Rahmen dieser Rede sprengen. Ich denke aber, dass ihr hoffentlich lautstarker Applaus eine Anerkennung für die geleistete Arbeit darstellt.
Musikalisch unterstützt werden wir nicht nur von den beiden Chören aus Nowy Targ und Radevormwald, sondern auch vom Jugendorchester unseres Feuerwehrorchesters, das sie bereits einführend hören konnten. Ich denke, es ist ein gutes Symbol, dass die Jugend unsere Partnerschaftsveranstaltung mit ihrem Musikbeitrag eröffnet hat, denn die Jugendlichen sind die Zukunft unserer Städtepartnerschaft. Im Laufe des Abends wird uns auch noch die Jazz-Combo der Radevormwalder Musikschule unterhalten. Mit diesem Bühnenprogramm bieten wir unseren polnischen Gästen einen guten Eindruck von der breiten Palette musikalischen Schaffens in unserer Stadt.
Als ich soeben die Ratsmitglieder begrüßte, habe ich darauf verwiesen, dass durch den einstimmigen Beschluss des Stadtrates diese Städtepartnerschaft ermöglicht worden ist. Dies ist formal zutreffend und dennoch ist es nicht die ganze Wahrheit dieser Partnerschaftsgeschichte. Denn der Rat der Stadt hat durch seinen Beschluss nur das bestätigt, was zwischen Menschen aus Nowy Targ und Radevormwald über Jahre, ja mittlerweile Jahrzehnte, gewachsen ist. Wir begründen hier keine künstliche Städtepartnerschaft, die erst noch mit Leben gefüllt werden muss. Wir haben bereits vielfältige Aktivitäten und Begegnungen zwischen Menschen aus unseren beiden Städten gehabt – und ohne diese Menschen und ihr Engagement wäre es sicherlich auch nie zum Beschluss des Stadtrates über die Gründung einer Städtepartnerschaft mit Nowy Targ gekommen. Die Zahl der Begegnungen und Freundschaften, die heute schon zwischen Menschen aus Nowy Targ und Radevormwald bestehen, ist größer als vielen von uns bewusst ist.
Mit der Nennung einiger Beispiele laufe ich Gefahr, viele auch unerwähnt zu lassen. Dennoch darf ich beispielhaft verweisen auf unsere beiden Chöre, die nicht nur heute Abend unsere Veranstaltung mit ihren Musikbeiträgen bereichern. Der Chor „Echo Gorczanskie“ befindet sich auf Einladung des Radevormwalder Männerchores in unserer Stadt und es ist dies die Gegeneinladung zu einem – wie mir aus verlässlicher Quelle berichtet wurde – wirklich phantastischen Besuch der Rader Sänger in Polen.
Beispielhaft möchte ich aber auch die drei Begegnungen von Jugendlichen aus Nowy Targ, Radevormwald und unserer französischen Partnerstadt Châteaubriant nennen. Dreimal trafen sich in den letzten Jahren Gruppen junger Menschen, um miteinander einen Teil der Sommerferien zu gestalten. Nach Radevormwald vor zwei Jahren und Nowy Targ im letzten Jahr war in diesem Jahr Châteaubriant der Ort der gemeinsamen Veranstaltung. Was, meine Damen und Herren, könnte den Sinn und Zweck von Partnerschaften besser darstellen als diese Begegnungen? Junge Menschen aus verschiedenen Teilen Europas kommen zusammen, um sich kennen zu lernen, Ideen auszutauschen und damit praktisch ein Stück des gemeinsamen Hauses Europa weiter zu bauen. Angesichts des Gott sei Dank schon lange anwährenden Friedens auf unserem Kontinent mag eine solche Begegnung für viele nicht mehr den Charakter des Besonderen haben. Aber ein Blick in die Geschichte belehrt uns eines Besseren: Die Väter und Mütter dieser Jugendlichen lebten noch auf einem durch einen eisernen Vorhang getrennten Kontinent. Sie konnten nicht problemlos zueinander reisen, weil die Länder, aus denen sie kamen, sich waffenstarrend und in gegnerischen Militärblöcken gegenüber standen. Und die Großeltern dieser Jugendlichen haben es erleben müssen, dass Deutsche nicht in friedlicher Absicht zu einem gemeinsamen Ferienaufenthalt nach Frankreich oder Polen reisten, sondern in Militäruniformen in kriegerischer Absicht in diese Länder einmarschierten. Ja, meine Damen und Herren, angesichts dieser historischen Erfahrungen ist eine trinationale Jugendbegegnung, wie wir sie erleben durften, nichts Alltägliches, sondern etwas historisch Bedeutendes.
Die Kontakte zwischen Menschen aus Nowy Targ und Radevormwald gehen vor allem zurück auf Aktivitäten der katholischen Kirchengemeinden in beiden Städten. Einer, der von vornherein dabei war und den ich heute Abend als Pionier unserer Städtepartnerschaft besonders begrüßen möchte, ist Hubert Staratschek. Herr Staratschek ist seit Jahrzehnten die treibende Kraft im Austausch zwischen Bürgern aus Nowy Targ und Radevormwald. Die Zahl der Begegnungen, die er organisiert hat, ist vielfältig und von mir gar nicht umfassend darzustellen. Besonders wichtig erscheinen mir zum Beispiel auch die von ihm mit initiierten und betreuten Besuche polnischer Schülerinnen und Schüler in unserer Stadt. Hubert Staratschek ist es auch, der das Thema einer offiziellen Städtepartnerschaft mit Beharrlichkeit an die politisch Verantwortlichen herangetragen hat. Ihre Beharrlichkeit, lieber Herr Staratschek, hat sich ausgezahlt. Ich bin sicher, für Sie ist dieser Tag heute ein Tag besonderer Freude und sicherlich auch innerer Zufriedenheit.
Nun lässt eine solche beispielhafte Aufzählung dessen, was bereits in der Vergangenheit an Kontakten zwischen Nowy Targ und Radevormwald gewachsen ist, vieles außen vor und es werden viele Menschen nicht erwähnt, die ihren persönlichen Beitrag zum Wachsen der Beziehungen zwischen Radevormwald und Nowy Targ geleistet haben. Ihnen allen gilt heute Abend unser besonderer Dank. Ihr Wirken ist das Fundament, auf dem wir heute diesen neuen Abschnitt des Miteinanders zwischen Nowy Targ und Radevormwald bauen.
Lieber Herr Kollege Frzylewicz, ich möchte Sie an dieser Stelle auch ganz persönlich ansprechen. Wenn ich Hubert Staratschek als Pionier dieser Städtepartnerschaft auf deutscher Seite bezeichnet habe, dann gilt diese Bezeichnung für Sie auf Seiten von Nowy Targ. Lange bevor Sie Bürgermeister Ihrer Stadt wurden, waren Sie bereits in Begegnungen zwischen Menschen aus Radevormwald und Nowy Targ eingebunden. Sie waren oft Gast in unserer Stadt und Sie haben viele Gäste aus Radevormwald in Ihrer Stadt empfangen und bestens betreut. Ich weiß, dass Ihnen diese Städtepartnerschaft ein besonderes Herzensanliegen ist. Ich danke Ihnen, dass Sie durch Ihr langjähriges Engagement mitgeholfen haben, dass der heutige Tage Realität werden konnte. Mein Dank gilt allen Mitgliedern des Stadtrates von Nowy Targ, die sich genau wie unser Stadtrat für die Begründung dieser Städtepartnerschaft ausgesprochen haben.
Wir hoffen und wünschen uns, dass die offizielle Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde Impulse gibt für weitere Begegnungen zwischen unseren Städten. Wir bauen darauf, dass gerade junge Menschen erkennen, dass sie in einem gemeinsamen Haus Europa leben, an dem es gemeinsam zu arbeiten gilt, um Frieden und Wohlstand dauerhaft zu sichern. Ich hoffe, dass unsere Schulen sich in ähnlich engagierter Weise in die neue Partnerschaft einbringen, wie sie dies dankenswerterweise auch in der Partnerschaft mit Châteaubriant tun. Wir appellieren an die Vereine und Institutionen in unserer Stadt, aber auch an alle Bürgerinnen und Bürger: Nutzen Sie die Chance, die diese Städtepartnerschaft bietet! Fahren Sie nach Nowy Targ oder lernen Sie polnische Gäste in unserer Stadt kennen! Lassen Sie uns die Freiheit und den Frieden genießen, die wir in Europa ganz im Gegensatz zu vielen anderen Teilen der Welt haben! Und arbeiten Sie mit daran, dass durch diese Städtepartnerschaft dieses Europa frei und friedlich bleibt! Wir wollen keine Städtepartnerschaft der Funktions- und Mandatsträger. Wir wollen eine Partnerschaft der Bürgerinnen und Bürger. Nur dann macht sie Sinn, nur dann ist sie gelebte Demokratie.
Im nächsten Jahr ist es 25 Jahre her, dass wir unsere Städtepartnerschaft mit Châteaubriant begonnen haben. Nachdem Deutschland und Frankreich über Jahrhunderte Kriege gegeneinander geführt hatten, entstand nach dem 2. Weltkrieg ein Netzwerk von Städtepartnerschaften zwischen diesen beiden Ländern. Dies war möglich, weil beide Länder endlich in stabilen Demokratien und mit einem gemeinsamen Verständnis von Freiheit und Menschenwürde leben konnten. Dies war lange Zeit mit Städten in Osteuropa nicht möglich. Erst der mutige Kampf der Menschen in diesen Ländern um Demokratie und Freiheit hat Ende der 80er Jahre die Wende in Europa gebracht. Eine Wende, meine Damen und Herren, von der ja auch unser Land nach mehr als 40 Jahren gewaltsamer Teilung profitiert hat. Begonnen hat diese Freiheitsbewegung des Ostblocks in Polen. Mit der Gewerkschaft Solidarnosc entstand erstmalig eine Massenbewegung, die gegen das herrschende Regime protestierte. Heute, nicht einmal 20 Jahre danach, ist Polen ein demokratischer Staat und Mitglied der Europäischen Union. Jetzt ist es an uns, auf diese wunderbare historische Entwicklung die richtigen Zukunftsantworten zu finden. Mit der offiziellen Begründung unserer Städtepartnerschaft wollen wir heute einen Schritt auf diesem Weg gehen.
Für mich, und ich denke für viele der Botschafterinnen und Botschafter ehrenhalber, die hier heute Abend versammelt sind, ist es ein schöner Gedanke, dass Radevormwald, in der Mitte dieses wunderbaren Kontinentes Europa liegend, ab heute nicht nur im Westen, in Châteaubriant, gute Freunde hat, sondern auch im Osten, in unserer neuen Partnerstadt Nowy Targ.
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