15.03.2020: Öffentliche Bekanntmachung

Allgemeinverfügung der Stadt Radevormwald zum Verbot von Veranstaltungen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten

15.03.2020: Öffentliche Bekanntmachung

Allgemeinverfügung der Stadt Radevormwald zum Verbot von Veranstaltungen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten

Allgemeinverfügung der Stadt Radevormwald vom 14.03.2020 zum Verbot von Veranstaltungen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz)

Gemäß §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) ergeht zur Verhütung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 Virus-Infektionen folgende Allgemeinverfügung:

Jegliche Veranstaltung im Gebiet der Stadt Radevormwald ist bis auf weiteres verboten. Dieses Verbot gilt auch für Gottesdienste und sonstige Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften. Ausgenommen von diesem Verbot sind nur solche Veranstaltungen, die aus Gründen überwiegenden öffentlichen Interessen notwendig sind, insbesondere solche, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Daseinsfürsorge und –vorsorge zu dienen bestimmt sind. Dazu gehören beispielsweise Wochenmärkte, die der Nahversorgung der Bevölkerung dienen.

Ebenfalls bis auf weiteres sind in Anlehnung an die Regelungen des Feiertagsgesetzes NRW für stille Feiertage musikalische und sonstige unterhaltende Darbietungen jeder Art in Gaststätten und in Nebenräumen mit Schankbetrieb (insbesondere Diskotheken, Clubs und Bars) sowie alle anderen der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen einschließlich Tanz verboten. Von diesem Verbot umfasst sind auch Theater- und musikalische Aufführungen, Filmvorführungen und Vorträge jeglicher Art, der Betrieb von Spielhallen und ähnlichen Unternehmen sowie die gewerbliche Annahme von Wetten.

Der Besuch von Restaurants und Gaststätten, die mit einem Essensangebot der Versorgung dienen, bleibt möglich.

Die Anordnungen unter Ziffer 1. und 2. sind sofort vollziehbar.

Die Anordnungen unter Ziffer 1. und 2. treten am Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft.

Auf die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen diese Allgemeinverfügung wird hingewiesen (§ 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Infektionsschutzgesetz).

Begründung:

Aufgrund des Erlasses des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW vom 10.3.2020 wurden bereits alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 erwarteten Teilnehmerinnen/Teilnehmern zur Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV-2 untersagt.

Diesen Erlass hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW mit weiterem Erlass 13.3.2020 ergänzt, wonach ab dem 14.03.2020 auch bei sämtlichen Veranstaltungen unter 1.000 zu erwartenden Teilnehmerinnen/Teilnehmern eine Absage zu erfolgen hat.

Basierend auf diesen Erlassen erfolgt diese Allgemeinverfügung.

Zu 1.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG. Unter diesen Voraussetzungen kann die zuständige Behörde gemäß §§ 16 Abs. 1, 28 Absatz 1 Satz 2 1. Halbsatz IfSG Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten. Ausgehend von der Gesetzesbegründung sind hiervon alle Zusammenkünfte von Menschen erfasst, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen. Gemäß § 2 Nr. 1 IfSG sind Krankheitserreger im Sinne des Infektionsschutzgesetzes vermehrungsfähige Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann. Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG.

Der Virus wird von Mensch zu Mensch übertragen. Hauptübertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion. Dies kann direkt von Mensch zu Mensch über die Schleimhäute der Atemwege geschehen oder auch indirekt über Hände, die dann mit Mund- oder Nasenschleimhaut sowie der Augenbindehaut in Kontakt gebracht werden. Insofern erhöht sich das Risiko einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2 Virus bei Veranstaltungen mit einer hohen Besucherzahl potentiell und damit die Gefahr, dass sich die Infektionen in der Bevölkerung weiterverbreiten.

Nach der Einschätzung des Robert-Koch-Institutes (RKI) sind es zur Bewältigung der aktuellen Weiterverbreitung des SARS-CoV-2 Virus „massive Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes erforderlich“. Es wird das Ziel verfolgt, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verzögern. Damit sind gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie eine Reduzierung der Reisetätigkeit verbunden.

Die Entwicklungen der letzten Tage zeigen, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen. Die Zahl der Infizierten steigt stetig an. Im Oberbergischen Kreis ist die Zahl der infizierten Personen in den letzten Tage massiv angestiegen.  Durch den Erlass des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales NRW vom 13.03.2020 sind die Kommunen als zuständige Stellen angewiesen, für Veranstaltungen ab dem 14.3.2020 dafür Sorge zu tragen, dass die zur Verhinderung der Verbreitung von SARS-Cov-2 notwendigen Maßnahmen getroffen werden. Aufgrund der Erlasslage ist das Entschließungsermessen insofern reduziert, als weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und Infektionsketten zu unterbrechen.

Hinsichtlich des Auswahlermessens ist nach dem Erlass grundsätzlich davon auszugehen, dass aufgrund aktueller Entwicklungen und Erkenntnislagen, insbesondere der stark zunehmenden Ausbreitung von SARS-CoV-2 auch bei Veranstaltungen von unter 1.000 Teilnehmern/Besuchern keine Schutzmaßnahmen getroffen werden können, die gleich effektiv, aber weniger eingriffsintensiv sind, als die Veranstaltung nicht durchzuführen. Laut Erlass reduziert sich das Auswahlermessen der zuständigen Behörden regelmäßig dahingehend, dass nur die Absage oder zeitliche Verschiebung bis zur Änderung der Gefährdungslage und Aufhebung der getroffenen Maßnahmen in Betracht kommt. Nach dem Erlass hiervon ausgenommen sind notwendige Veranstaltungen, insbesondere solche, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Daseinsfürsorge und –vorsorge zu dienen bestimmt sind. Zur Begründung verweist der Erlass auf die in kurzer Zeit rasante Verbreitung des Virus. Vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklung der SARS-CoV-E müssen weiterhin kontaktreduzierende Maßnahmen zur Beeinflussung, insbesondere Verzögerung der Ausbreitungsdynamik ergriffen und Infektionsketten unterbrochen werden. Durch die durch diese Maßnahmen verlangsamte Weiterverbreitung des Virus kann die dringend erforderliche Zeit gewonnen werden, um im Interesse des Gesundheitsschutzes vulnerabler Personengruppen das Gesundheitssystem leistungsfähig zu halten.

Durch den vorherrschenden Übertragungsweg (Tröpfchen) z.B. durch Husten, Niesen, oder teils mild erkrankte oder auch asymptomatisch infizierte Personen kann es leicht zu Übertragungen von Mensch zu Mensch kommen. Laut Erlass ist eine Vermeidung von nicht notwendigen Veranstaltungen angezeigt, um dem Ziel, die Ausbreitung des Virus durch konsequente soziale Distanzierung im täglichen Leben zu verlangsamen, näher zu kommen.

Aufgrund des Erlasses ist das Verbot von Veranstaltungen auszuweiten und auf alle nicht notwendigen Veranstaltungen auszudehnen. Im Rahmen meiner Risikobewertung komme ich zu dem Ergebnis, dass bei der aktuellen Ausbreitungsgeschwindigkeit das Ziel einer Eindämmung nur erreicht werden kann, wenn vorübergehend jede Veranstaltung unabhängig von ihrer Personenzahl untersagt wird. Jeder nicht notwendige soziale Kontakt beinhaltet ein derart hohes Gefährdungspotential, so dass nur durch ein Verbot von Veranstaltungen eine Weiterverbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus in der Bevölkerung verhindert oder zumindest verlangsamt werden kann. Dem gegenüber sind keine ausreichenden Schutzmaßnahmen durch die Veranstalter möglich, die gleich effektiv, aber weniger eingriffsintensiv sind, als eine Veranstaltung nicht durchzuführen. Die extrem hohen Risikofaktoren des Zusammentreffens von Personen bei Veranstaltungen, wie vor allem Dauer, Anzahl und Intensität der Kontaktmöglichkeiten sowie die fehlende Rückverfolgbarkeit reduzieren mein Ermessen dahingehend, dass nur die Absage in Betracht kommt.

Aufgrund der aktuellen Risikobewertung kann nur mit dem Verbot von Veranstaltungen die dringend erforderliche Verzögerung des Eintritts von weiteren Infektionen erreicht werden. Ziel ist es, das Gesundheitswesen nicht zu überlasten und die erforderlichen Kapazitäten für die Behandlung von Erkrankten sowie sonstigen Krankheitsfällen bereit zu halten. Damit wird auch Zeit gewonnen, Therapeutika und Impfstoffe zu entwickeln.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren ist das Verbot nicht nur zur Gefahrenabwehr geeignet, sondern auch erforderlich und verhältnismäßig. Zwar werden die Grundrechte der Art. 2, Absatz 2, Satz 2, Art. 4, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 8 Grundgesetz insoweit eingeschränkt. Die Maßnahme ist jedoch in Anbetracht der vorrangigen Interessen der Gesundheitssicherung der Bevölkerung, insbesondere der besonderen Risikogruppen, gerechtfertigt.

Meine Zuständigkeit zum Erlass dieser Verfügung ergibt sich aus den §§ 28 und 16 IfSG i. V. m. §§ 3 und 2 Abs. 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz (ZVO-IfSG).

Ein Vorschlag des Kreisgesundheitsamtes gem. § 16 VI IfSG liegt vor.

Zu 2.
Rechtgrundlagen der Maßnahmen unter 2 sind §§ 16 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 2 IfSG. Aufgrund der unter 1. gegebenen Begründung ist es zur Gesundheitssicherung der Bevölkerung notwendig, das Verbot von Veranstaltungen um ein Verbot von weiteren Anlässen zu ergänzen, bei denen vergleichbar hohe Risikofaktoren existieren, wie z.B. des Zusammentreffens von Personen bei Veranstaltungen, vor allem Dauer, Anzahl und Intensität der Kontaktmöglichkeiten sowie die fehlende Rückverfolgbarkeit.

Aufgrund der aktuellen Risikobewertung kann nur mit dieser Einschränkung sozialer Kontaktmöglichkeiten die dringend erforderliche Verzögerung des Eintritts von weiteren Infektionen erreicht werden. Die Regelung orientiert sich an einer Reduzierung der sozialen Kontaktmöglichkeiten in Anlehnung an die Schutzbestimmungen an stillen Feiertagen. Ziel ist es, durch eine vorübergehende konsequente soziale Distanzierung die Ausbreitung des Virus im täglichen Leben zu verlangsamen. Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, das Gesundheitswesen nicht zu überlasten und die erforderlichen Kapazitäten für die Behandlung von Erkrankten sowie sonstigen Krankheitsfällen bereithalten zu können. Damit wird auch Zeit gewonnen, Therapeutika und Impfstoffe zu entwickeln.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren ist das Verbot nicht nur zur Gefahrenabwehr geeignet, sondern auch erforderlich und verhältnismäßig. Zwar werden die Grundrechte der Artikel 2, Absatz 2, Satz 2, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, Artikel 8 Grundgesetz insoweit eingeschränkt. Die Maßnahme ist in Anbetracht der vorrangigen Interessen der Gesundheitssicherung der Bevölkerung, insbesondere der besonderen Risikogruppen, gerechtfertigt. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, insbesondere mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber, sind Restaurants und Gaststätten, die mit einem Essensangebot der Versorgung dienen, von dem Verbot ausgenommen.

Zu 3.
Die Allgemeinverfügung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar nach § 28 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 8 IfSG. Die Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung.

Zu 4.
Diese Verfügung gilt gem. § 41 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) mit dem auf die Bekanntmachung folgenden Tage als bekanntgegeben.

Zu 5.
Die Strafbarkeit von Zuwiderhandlungen gegen diese Allgemeinverfügung ergibt sich aus § 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 IfSG.

 

Hinweis auf bestehende Rechte:
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden. Die Klage ist bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln schriftlich einzulegen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten/ der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu erklären.

Die Klage kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht werden.

Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung-ERVV) vom 24.11.2017.

Weiterer Hinweis:
Die Klage hat gem. § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSD keine aufschiebende Wirkung, d.h. dass die getroffenen Maßnahmen auch im Falle einer Klage zu befolgen sind. Das Verwaltungsgericht Köln kann auf Ihren Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.

in Vertretung

gez. Burkhard Klein

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Hier können Sie die o.a. Allgemeinverfügung als PDF-Dokument downloaden

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