Damals: Als die Preussen stille Post spielten

29.10.1832: Telegrafenstationen wurden auf königlichen Befehl errichtet

Nur noch die Telegrafenstraße mit ihrem Namen erinnert an die optisch-mechanische Telegrafenlinie, für die in Radevormwald die Station 46 bestand. Im Jahr 1833 wurde diese Verbindung von Berlin nach Koblenz eingerichtet, ein Jahr später war auch die Radevormwalder Station vollständig in Betrieb.Der Grund für die Einführung der "königlich - preußischen Telegrafenlinie" lag in der Sorge von König Friedrich Wilhelm III. um die Sicherheit der Rheinprovinz. Sie gehörte erst seit 1815 zu Preußen und lag an der Grenze zu Belgien und Frankreich, die 1830 von Revolutionen geschüttelt waren. Mit Hilfe der optischen Telegrafie sollte eine schnellere Nachrichtenverbindung als bisher durch Kurier oder Postkutsche ermöglicht werden.

So ordnete der König 1832 den Bau der Telegrafenlinie an, um durch sie den Generalstab Preußens in Berlin mit dem Militärbefehlshaber der Rheinprovinz zu verbinden. Die Durchführung des Projekts übertrug man dem Major O`Etzel vom Generalstab der Armee, der in erster Linie Standorte für die einzelnen Stationen ausfindig zu machen hatte.So erhielt denn auch Radevormwalds Bürgermeister Dilthey am 29. Oktober 1832 eine vom Generalstab der Armee dem Herrn Major O`Etzel ertheilte offene Order in Betreff der Errichtung einer Telegraphenverbindung zwischen Magdeburg und Koblenz. Sie lautete: Auf allerhöchsten Spezialbefehl Sr. Majestät des Königs ist der Herr Major O`Etzel vom Generalstab der Armee beauftragt worden, Stationspunkte zur Errichtung von Telegraphen zwischen Magdeburg und Koblenz auszumitteln, die Baustellen abzustecken und die Errichtung der nöthigen Bauten sofort anzuordnen. Sämmtliche den unterzeichneten Ministerien untergeordneten Behörden, insbesondere aber auch Landräthe, Forstbeamte, Ortsbehörden werden hierdurch angewiesen, das Geschäft des Herrn Major O`Etzel in jeder Beziehung nach Möglichkeit zu fördern und ihm sowohl als auch den von ihm detaschierten Offizieren oder anderen Gehülfen nicht nur die kräftigste Unterstützung zu gewähren, sondern auch alles zu beseitigen, was das Geschäft hindern oder verzögern könnte.

Von den untergeordneten Behörden werden verlangt Gestellung von Wegweisern und Boten, Überweisung von Arbeitern und Fuhren, Eröffnung von Aus- und Durchsichten, Besorgung von Materialien. Tage- und Fuhrlöhne werden durch Herrn Major O`Etzel nach den gebräuchlichen Sätzen bezahlt, ebenso die Materialien.Staatliches Holz und staatliche Grundstücke sind sofort gegen Quittung zu übertragen. Die Vermittelung der Abtretung von Privateigentum gegen gesetzliche Entschädigung haben die Landräte zu übernehmen. Wenn nötig, soll das Zwangsenteignungsverfahren eingeleitet werden.Da des Königs Majestät die größte Beschleunigung befohlen haben, so werden alle Behörden ausdrücklich angewiesen, ohne vorherige Anfrage und Einholung von Befehlen bei ihren Vorgesetzten bei persönlicher Verantwortlichkeit für eine jede durch ihre Schuld etwa entstehende Weitläufigkeit oder Verzögerung den in Anspruch genommenen Dienstleistungen pünktlich zu genügen.

So weit die "offene Order". Im Sommer 1833 bestimmte der Major als Standort der Station den höchsten Punkt am Kollenberg. Das benötigte Grundstück gehörte zum Teil dem privaten Gutsbesitzer Herrn Funkenhaus, zum anderen Teil der Radevormwalder reformierten Gemeinde. Obwohl das Armee-Bauamt am 11. September 1833 mitteilte, "daß keine Gemeinde von Berlin bis Koblenz eine Entschädigung für das überlassene Gemeinde-Grund-Eigenthum in Anspruch genommen hat, um dadurch ihren guten patriotischen Sinn und ihre Dankbarkeit für allerhuldreichst von des Königs Majestät bewilligte Gnaden, wie z.B. Steuerbefreiungen, zu beurkunden und anzuerkennen, daß dieses Institut baares Geld und größere Thätigkeit usw. in die Gemeinde bringt", gaben sich die Radevormwalder Eigentümer damit nicht zufrieden. Sie verlangten mit Unterstützung des Bürgermeisters eine Entschädigung und hatten auch Erfolg. Denn am 28. Mai 1834 wurde der Kaufvertrag unterzeichnet und der geforderte Preis gezahlt.Im Juni 1834 begann man mit dem Bau. Die Inbetriebnahme der Linie von Magdeburg bis Koblenz erfolgte im November 1834; die Strecke Berlin - Magdeburg wurde bereits vorher genutzt."

Da strömten die Radevormwalder und die Bewohner der benachbarten Orte zum Collenberg. Wenn man den neuen Weg, es ist der, der auf der Telegrafenstraße zum Sportplatz führte, hinter sich hatte, stand man vor dem Wunderbau. Ein etwa acht Meter hoher, zweistöckiger Turm erhob sich dort. Die Fenster, je zwei übereinander, zeigten nach Osten und Westen. Über der Tür hing das preußische Wappen. Über das flache, geländerte Dach ragte, etwa zwanzig Fuß hoch, eine eiserne Säule, die senkrecht durch das ganze Gebäude ging. Sie trug sechs etwa zwei Meter lange Zeiger, ähnlich denen der heutigen Eisenbahnsignale, je zwei in gleicher Höhe." Auf dem Kollenberg befand sich die 46. von insgesamt 61 Stationen, deren durchschnittliche Entfernung elf Kilometer betrug. An die Station in Radevormwald schlossen sich der Telegraph in Buchholz (bei Wermelskirchen) und in Breckerfeld an. Aus Richtung Berlin befand sich also in Radevormwald die erste Station auf rheinischem Gebiet.

Die jeweilige Stellung der sechs am Mastbaum angebrachten Flügel gab Aufschluss über die übermittelte Botschaft. In einem Code-Buch war die Bedeutung der Ziffern-Kombinationen erläutert. Der Code wurde häufig geändert, um Außenstehenden das Mitlesen der staatlichen Botschaften zu erschweren. Schließlich waren zur Nachrichtenübermittlung nur militärische Depeschen oder eilige Regierungssachen zugelassen. Ein Antrag der Berliner Kaufmannschaft, auch Privattelegramme zuzulassen, war mit Kabinettsorder vom 15.4.1835 abgelehnt worden.Die vielen Nachteile dieser Art der Telegrafie (z.B. hohe Fehlerquote, Ausfall bei Nebel, lange Übermittlungsdauer) sorgten denn auch für ein ziemlich schnelles Ende dieser Einrichtung der Nachrichtenübermittlung.

Mit Einführung der ersten elektromagnetischen Telegrafie wurde 1849, nur 16 Jahre nach seiner Errichtung, das optische Verfahren eingestellt. Damit war auch das Schicksal der Radevormwalder Station besiegelt. 1850 wurde das Gebäude dem Wirt Johann Büchsenschütz für 495 Thaler, der Ofen an Theodor Harnischmacher für 4 Thaler 5 Pfennig und die Taue des Signalmastes an Heinrich Schmitz für 1 Thaler, 15 Silbergroschen und 7 Pfennig verkauft. Die Telegrafenstation, von den Radevormwaldern "Villa Telegraf" genannt, diente fortan noch viele Jahre als vielbesuchtes Ausflugslokal.

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